Milliarden in Rauch aufgelöst: Die größten Startup-Pleiten 2024

Von Milliarden-Investitionen bis zur Insolvenz: 2024 war ein Jahr voller Startup-Desaster. Drei Fälle zeigen, wie Träume scheitern können.

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Milliarden in Rauch aufgelöst: Die größten Startup-Pleiten 2024

Der Traum vom fliegenden Taxi

Fliegende Taxis, der nächste große Mobilitätshype? Nicht mehr. Der Münchner VTOL-Pionier (vertical take-off and landing) Lilium hat seit 2021 über eine Milliarde Dollar eingesammelt, aber jetzt ist das Geld weg. Die Insolvenz droht. Lilium wollte mit seinem elektrischen Senkrechtstarter Städte und ländliche Regionen besser vernetzen und Flughafentransfers revolutionieren. Ein Flug, der normalerweise 90 Minuten dauert, könnte in sieben Minuten erledigt sein – sauber und leise. Mit Deals in Florida, Italien und dem Nahen Osten sowie großen Investoren wie BlackRock und Honeywell schien die Zukunft sicher. Doch ambitionierte Visionen reichen nicht immer. Das Problem ist simpel: Geld. Trotz massiver Finanzspritzen von über 1,1 Milliarden Dollar und einer Bewertung von 3,3 Milliarden Dollar bei ihrem Börsengang 2021 hat Lilium nie schwarze Zahlen geschrieben. Forschung, Entwicklung, Tests und Zertifizierungen fressen Unsummen, bevor überhaupt der erste zahlende Passagier einsteigt – frühestens 2026. Als dann auch noch ein 50-Millionen-Euro-Kredit von der deutschen Regierung verweigert wurde, war klar: Es wird eng. „Ohne neues Geld droht das Aus“, heißt es im Statement an die US-Börsenaufsicht. Und die Hoffnung auf neue Investoren schwindet. Lilium ist nicht allein. Auch Konkurrenten wie Joby Aviation und Vertical Aerospace kämpfen ums Überleben, obwohl sie teils Millionen-Deals sichern konnten. Der Sektor ist ein klassisches Beispiel für „high risk, high reward“: enormes Potenzial, aber ebenso enorme Risiken.

Livestreams, Milliardenhoffnungen – und ein Crash

Dass jemand sich mit Twitch anlegen möchte passiert nicht oft. Caffeine wollte jedoch die Livestreams revolutionieren, bekam Millionen von Disney, Fox & Co. und wurde trotzdem zum Ladenhüter. Gegründet 2016, wollte Caffeine anders sein: keine Ads, dafür Microtransactions, Livestreams für Nischensportarten, Esports, Entertainment und sogar LIV-Golfturniere. Die Plattform versprach eine bessere Verbindung zwischen Streamern und ihrem Publikum – interaktiver, näher dran, ohne Distanz. Mit 4 Millionen Nutzern täglich und 61 Millionen monatlich schien der Plan aufzugehen. Die großen Player glaubten an das Konzept: 21st Century Fox pumpte 100 Millionen Dollar rein und gründete Caffeine Studios. Disney kam 2018 mit an Bord und Live Nation sorgte für Konzert-Streams. Insgesamt sammelte Caffeine fast 300 Millionen Dollar ein. Trotzdem: Geld rein, nichts raus. „Wir sind immer noch nicht profitabel“, schrieb das Unternehmen bei der plötzlichen Schließung. Caffeine scheiterte daran, seine starke Nische in einem überfüllten Markt zu finden. Twitch dominiert Gaming, YouTube alles andere – und für Livestream-Fans waren Plattformen wie Facebook Live oder TikTok einfach bequemer. Auch der Wechsel zu Livestreams von Nischensportarten half nicht. Obwohl es bis zu 200 Partnerschaften mit Ligen und Events gab, blieb der erhoffte Erfolg aus. LIV Golf verlor mit der Schließung von Caffeine sogar einen wichtigen Streaming-Partner.

Vom Edtech-Hoffnungsträger zur Startup-Warnung

Gegründet 2011, machte Byju’s digitale Bildung in Indien groß. Die Plattform, die mit Online-Kursen für Schüler begann, expandierte rasch: Lern-Apps in indischen Sprachen, Bildungs-Hardware wie Tablets und SD-Karten und schließlich teure globale Übernahmen wie Epic und Great Learning. 2021 erreichte Byju’s eine Bewertung von satten 22 Milliarden Dollar. Byju’s rasante Expansion hatte ihren Preis. Die aggressive Wachstumsstrategie führte zu einem beispiellosen Absturz. 2022 musste das Unternehmen einen Verlust von einer Milliarde Dollar verbuchen, was die bereits angeschlagene finanzielle Situation weiter verschärfte. Zeitgleich häuften sich Berichte über verzögerte Gehaltszahlungen und Massenentlassungen, bei denen Tausende von Mitarbeitern ihren Job verloren. Hinzu kamen schwerwiegende Vorwürfe des Druckverkaufs: Eltern sollen angeblich gezwungen worden sein, teure Kurse zu kaufen, die sie sich nicht leisten konnten. Diese Praktiken sorgten nicht nur in den Medien, sondern auch auf Social-Media-Plattformen für Aufruhr. Gleichzeitig sank die Bewertung des einstigen Vorzeigeunternehmens drastisch – Investment-Riese BlackRock setzte den Wert von Byju’s kürzlich auf nur noch eine Milliarde Dollar herab. Der einstige Hoffnungsträger der indischen Edtech-Szene steht damit vor einem Scherbenhaufen. Zuletzt kürzte BlackRock die Bewertung des einstigen Einhorns auf 1 Milliarde Dollar – ein herber Rückschlag.

Ein batteriegetriebener Traum

Eine clevere Idee, mächtige Investoren und eine klare Vision – trotzdem musste das cleantech Startup Moxion Power im Juli 2024 die Segel streichen. Moxion, das mit tragbaren Batterien Dieselgeneratoren bei Bauprojekten, Live-Events und im Katastrophenschutz ersetzen wollte, galt einst als Hoffnungsträger der Energiewende. Noch 2022 sicherte sich das Unternehmen 100 Millionen Dollar in einer Series-B-Finanzierung. Große Kunden wie Sunbelt Rentals und Investoren wie Microsoft und Amazon sorgten für Optimismus. Doch die rasante Expansion führte zu Problemen: zu schnellem Wachstum, technische Fehler und ein Produkt, das am Markt vorbeientwickelt wurde. Moxion setzte stark auf frühe Großkunden wie Sunbelt, ohne ausreichend zu prüfen, ob das Produkt auch in der Breite überzeugen konnte. Ein Beispiel: Die Batterien konnten nicht gleichzeitig laden und entladen, was für Kunden ungewohnt und unpraktisch war. Trotz dieser Mängel wurde die Produktion hochgefahren und hunderte Mitarbeiter eingestellt. Als dann zusätzliche Finanzierung scheiterte, blieb Moxion nur der Insolvenzantrag. Moxions Batterien fanden in Nischen wie Live-Events Anklang, doch der Fokus auf das hart umkämpfte Dieselgenerator-Geschäft erwies sich als fatal. Experten wie Neel Vasavada von Overdrive Energy Solutions sind überzeugt, dass Moxion in einem kleineren, validierten Markt hätte erfolgreich sein können. Stattdessen blieb es bei einem ambitionierten, aber überhasteten Versuch, die Energiewende anzuführen. Der Markt für tragbare, erneuerbare Energie bleibt – Moxion aber ist Geschichte.

CDN-Pionier meldet Insolvenz an

Vom aufstrebenden Player zum Übernahmekandidaten – der CDN-Anbieter Edgio hat Insolvenz beantragt, doch es gibt Hoffnung auf einen Neustart. Edgio entstand erst 2022 aus der Fusion von Limelight Networks und EdgeCast, das zuvor Teil von Yahoo und Apollo Global Management war. Mit 300 Points of Presence (PoPs) weltweit und über 275 Terabit pro Sekunde Kapazität schien das Unternehmen gut aufgestellt, um im CDN-Markt mitzuspielen. Doch die Konkurrenz durch Akamai, Cloudflare und neue Edge-Computing-Lösungen setzte Edgio massiv unter Druck. Am 9. September 2024 reichte Edgio beim US-Insolvenzgericht in Delaware einen Antrag auf Chapter 11 ein, um den Verkauf von Unternehmenswerten zu ermöglichen. Der Hauptkreditgeber Lynrock Lake Master Fund LP hat bereits zugestimmt, Vermögenswerte durch eine Kreditübernahme in Höhe von 110 Millionen Dollar zu erwerben. Zusätzlich stellt Lynrock Edgio 15,6 Millionen Dollar zur Verfügung, um den Betrieb während des Verkaufsprozesses aufrechtzuerhalten. Edgio plant, in den nächsten 80 Tagen durch ein gerichtlich überwachtes Verfahren die bestmögliche Übernahme anzustreben. Es laufen Gespräche mit mehreren potenziellen Interessenten – ein Verkauf könnte das Unternehmen stabilisieren und unter neuer Führung weiterführen.

Lektionen

Die großen Startup-Abstürze von 2024 sind mehr als nur gescheiterte Geschäftsmodelle – sie sind Mahnmale für die Herausforderungen in einer Welt, die oft mehr auf Wachstum als auf Nachhaltigkeit setzt. Sie zeigen, dass selbst Milliarden-Investitionen, prominente Partner und innovative Technologien keine Erfolgsgarantie sind. Doch in jedem Scheitern steckt auch eine Lektion: Für Gründer, Investoren und die gesamte Branche. Vielleicht liegt die wahre Innovation darin, nicht nur groß zu träumen, sondern auch realistisch zu planen.