Wachstumsbremse: Kein deutsches oder österreichisches VC unter den führenden Investoren Europas

Europas Top 10 der Risikokapitalgeber – und kein einziger aus Deutschland oder Österreich. Wie kann es sein, dass die größte Volkswirtschaft Europas in der VC-Landschaft kaum sichtbar ist? Ein Blick auf die Gründe hinter dem Rückstand.

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Wachstumsbremse: Kein deutsches oder österreichisches VC unter den führenden Investoren Europas

Europa investiert – ohne Deutschland & Österreich Seien wir ehrlich: Wenn es um Risikokapital und Venture-Capital-Investitionen in Europa geht, gehören Deutschland und Österreich selten zu den ersten Ländern, die einem in den Sinn kommen. Das spiegelt sich auch deutlich in der aktuellen Top-10-Liste der aktivsten VC-Investoren wider. Während Länder wie Irland, Frankreich und das Vereinigte Königreich regelmäßig Spitzenplätze einnehmen, bleiben Deutschland und Österreich überraschend unsichtbar. Doch ist das wirklich so unerwartet? Leider nicht – die Gründe dafür liegen tiefer und zeigen, warum unser Startup-Ökosysteme im internationalen Vergleich oft ins Hintertreffen geraten.

Ein trübes Jahr für europäische Investments

2024 wurden in Europa “nur” 55,1 Milliarden Euro in 8.458 Finanzierungsrunden investiert – der niedrigste Stand seit vier Jahren. Besonders auffällig: Während Länder wie Irland und Frankreich aktiv investieren, bleiben Deutschland und Österreich außen vor. Was das bedeutet? Europas Startup-Ökosystem schwächelt, doch staatlich unterstützte Fonds wie Enterprise Ireland springen ein. Private Investoren halten sich angesichts globaler Krisen zurück – ein Trend, der Deutschland und Österreich besonders hart trifft.

Wer führt – und warum?

Interessanterweise dominieren staatlich unterstützte Fonds und regionale Investoren die Liste der aktivsten Risikokapitalgeber in Europa. An der Spitze steht erneut Enterprise Ireland mit 181 Investments und einer Median-Transaktionsgröße von 0,8 Millionen Euro, gefolgt von Akteuren wie SFC Capital (UK), Antler (Singapur) und dem European Innovation Council Fund (Brüssel). Kein einziges deutsches VC-Unternehmen ist vertreten – ein klarer Hinweis auf Deutschlands Rückstand im europäischen Startup-Ökosystem. Ein Blick auf die zehn aktivsten VC-Investoren in Europa nach Anzahl der getätigten Deals zeigt ein deutliches Bild: Deutschland bleibt außen vor. Hier sind die wichtigsten Player des Jahres 2024 lauten:

  • Enterprise Dublin Investments 181 Median-Transaktionsgröße €0.8M
  • SFC Capital UK Investments 104 Median-Transaktionsgröße €0.3M
  • Antler Singapore Investments 102 Median-Transaktionsgröße €0.1M
  • European Innovation Council Fund Brüssel Investments 87 Median-Transaktionsgröße €7.7M
  • Kima Ventures Paris Investments 85 Median-Transaktionsgröße €3.1M
  • CDP Venture Capital Rom Investments 52 Median-Transaktionsgröße €2.4M
  • FJ Labs New York Investments 45 Median-Transaktionsgröße €8.5M
  • Octopus Ventures London Investments 44 Median-Transaktionsgröße €8.1M
  • Haatch UK Investments 41 Median-Transaktionsgröße €0.6M
  • The FSE Group UK Investments 41 Median-Transaktionsgröße €1.4M

Zu wenig, zu langsam

Während andere europäische Länder aktiv Startups fördern, kämpfen Deutschland und Österreich mit Bürokratie, fehlenden Netzwerken und konservativen Investmentstrategien. Schnelle Entscheidungen? Fehlanzeige. Risikobereitschaft? Eher selten. Das zeigt sich auch im Pro-Kopf-Investitionsvolumen: In Deutschland werden pro Person etwa 30 Euro in Startups investiert, in Österreich liegt dieser Wert ebenfalls deutlich niedriger als in anderen europäischen Ländern. Zum Vergleich: Das Vereinigte Königreich, das in der Top-10-Liste der aktivsten europäischen VCs besonders häufig auftaucht, erreicht ein Pro-Kopf-Investitionsvolumen von rund 60 Euro – das Doppelte des deutschen und ein Vielfaches des österreichischen Werts. Besonders alarmierend: Noch im Jahr 2021 lag Deutschland selbst bei rund 60 Euro Pro-Kopf-Investitionen in Startups und wäre damit heute gleichauf mit dem Vereinigten Königreich. Auch Österreich konnte in der Vergangenheit höhere Investitionsvolumina verzeichnen, doch seitdem haben beide Länder deutliche Einbußen erlitten.

Doch das Problem liegt nicht nur im fehlenden Kapital, sondern auch im regulatorischen Umfeld. Laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn schneiden Deutschland und Österreich im internationalen Vergleich besonders schlecht bei den bürokratischen Belastungen ab, vor allem aufgrund mangelnder Verwaltungsdigitalisierung. Im Gegensatz dazu sind Länder wie Großbritannien und die Niederlande Beispiele für eine erfolgreiche, innovative Transformation der Rechtsetzung und des Bürokratieabbaus. Dort werden Unternehmen frühzeitig und intensiv in den Rechtsetzungsprozess einbezogen. In Großbritannien sorgt ein niedriger Körperschaftsteuersatz von 19 % und eine schlanke Verwaltung für optimale Rahmenbedingungen – ein klarer Gegensatz zu den bürokratischen Hürden und komplizierten Antragsverfahren in Deutschland und Österreich. Diese strukturellen Unterschiede erklären, warum beide Länder im europäischen VC-Vergleich zunehmend ins Hintertreffen geraten.

Was jetzt passieren muss

Angesichts der diesjährigen massiven Stellenstreichungen bei deutschen Großkonzernen wie Volkswagen, Thyssenkrupp, Continental, Bosch, BMW und BASF wird die Förderung neuer und innovativer Unternehmen dringlicher denn je. Wenn etablierte Industrien abbauen, müssen innovative Startups aufbauen. Gerade in Zukunftsbranchen wie KI, Green Tech und Digitalisierung bieten Startups die Chance, neue Arbeitsplätze zu schaffen und den Strukturwandel aktiv zu gestalten. Während traditionelle Industrien aufgrund globaler Krisen, technologischer Disruption und internationaler Konkurrenz zunehmend unter Druck geraten, könnten junge Unternehmen als Wachstumsmotor dienen. Deutschland benötigt daher nicht nur staatliche Rettungspakete für Industriegiganten, sondern auch gezielte Investitionen in skalierbare Startups. Nur so lassen sich zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen und die Abhängigkeit von traditionellen Branchen verringern.

Quellen: