Der Browser-Hersteller Opera überrascht erneut: Neben den bekannten Versionen Opera und dem Gaming-Browser Opera GX startet das Unternehmen nun Opera Air im Early-Access. Mit einer Kombination aus moderner Browser-Technologie und integrierten Features für Achtsamkeit, Entspannung und Produktivität positioniert sich Opera Air als Lösung für alle, die im digitalen Alltag mehr neben surfen auch etwas für ihr Wohlbefinden tun wollen.
Neben den Achtsamkeitsfunktionen, auf die wir gleich im Detail eingehen, bringt Opera Air auch die KI-gestützte Assistenz Opera Aria mit, die ChatGPT-4, Gemini 1.5 und ImageGen integriert. Typische Browser-Features wie der Import von Daten aus anderen Browsern und die bekannte VPN-Funktion von Opera sind ebenfalls an Bord. Am unteren Ende der Anwendung erscheint täglich ein neues Zitat. Keine weltbewegende Funktion – und ehrlich gesagt wohl etwas, das man wohl spätestens am zweiten Tag ignoriert. Natürlich funktioniert Opera Air auch als vollwertiger Browser und unterstützt alle gängigen Webtechnologien.
Opera erfindet das Rad hier, aber nicht neu. In den letzten zehn Jahren sind zahlreiche Anbieter im Bereich Mindfulness auf den Markt gekommen – darunter bekannte Namen wie Headspace, Calm oder The Mindfulness App. Das Thema, oft mit „Achtsamkeit“ ins Deutsche übersetzt, umfasst ein breites Spektrum: geführte Meditationen, Atemübungen, Konzentrationstrainings und sogar einfache Dehnübungen. Genau hier setzt Opera Air mit seinen zusätzlichen Funktionen an. Ein frischer Look
Opera Air besticht durch das neu konzipierte Air UI – ein minimalistisches Design, das auf den ersten Blick aufgeräumt wirkt und eine schnelle Navigation ermöglicht. Wer bereits Opera nutzt, wird sich sofort wie zu Hause fühlen. Auch die Einrichtung ist gewohnt einfach: Die Startseite begrüßt uns mit einigen voreingestellten Websites – einige davon mit klarem Fokus auf Achtsamkeit, andere hingegen eher in der Kategorie „Werbung von zahlenden Partnern“ einzuordnen.
Auf der linken Seite finden sich neben diversen Messengern und Opera Aria nun auch die neuen Achtsamkeitsfunktionen – unterteilt in die Kategorien „Boost“ und „Take a Break“.
Take a Break
Die Kategorie „Take a Break“ umfasst aus meiner Sicht die spannendsten Features des neuen Browsers. Hier stehen vier Modi zur Auswahl: Atemübungen, Nackenübungen, Meditation und ein sogenannter Full-Body-Scan. Jeder Modus bietet vier Stufen – von der kürzesten bis zur längsten Variante. Bei den Atemübungen kann zwischen Sitzungen von drei bis sechs Minuten gewählt werden. Wichtig ist, dass sich die Modi nicht nur in der Länge unterscheiden, sondern auch verschiedene Zwecke erfüllen – etwa „Destress“, „Refresh“ oder „Relax“. Alle Übungen werden durch eine Sprachführung unterstützt, wobei zwischen einer weiblichen Stimme namens Emma und einer männlichen Stimme namens Alex gewählt werden kann.
Die zweite Übung ist die Nackenübung. Auch hier gibt es vier Modi, die sich in Länge und Zweck unterscheiden. Das Besondere: Im Gegensatz zu den anderen Übungen nutzt Opera Air hier ein Kameratracking. Man sieht sich selbst oben rechts im Bild, während in der Mitte eine Silhouette die Übung vormacht. Natürlich wird auch diese Übung durch Text- und Sprachanweisungen unterstützt. Wird eine Übung falsch ausgeführt – etwa durch eine falsche Kopfhaltung –, stoppt die Anleitung, bis die Position korrigiert wird. In meinen Tests hat das erstaunlich gut funktioniert, selbst mit der integrierten Laptop-Webcam. Das Kameratracking ist optional, aber für eine präzisere Ausführung der Übungen definitiv empfehlenswert.
Eine Meditationsübung darf natürlich nicht fehlen. Viel gibt es dazu allerdings nicht zu sagen – sie unterscheidet sich aus meiner Sicht kaum von anderen Optionen wie Apple Fitness. Da die meisten während der Meditation ohnehin die Augen geschlossen haben, lässt sich kein klarer Vor- oder Nachteil gegenüber anderen Meditations-Apps feststellen. Dennoch ist die Funktion für alle, die geführte Meditationen mögen, eine solide Ergänzung.
Die letzte Option ist der Full-Body-Scan – eine besondere Form der Meditation, die darauf abzielt, die Verbindung zwischen Gehirn und Körper zu stärken. Die Idee dahinter: Durch bewusstes Hineinfühlen und Wahrnehmen der Körpersignale lässt sich erkennen, welche Verhaltensweisen welche Auswirkungen haben. So können negative Einflüsse reduziert und positive Effekte verstärkt werden. Kurz gesagt, handelt es sich um eine weitere Form der geführten Meditation. Da ich in diesem Bereich weniger Erfahrung habe, kann ich nicht beurteilen, ob es für mich einen echten Mehrwert bietet – die Idee dahinter erscheint mir jedoch schlüssig.
Boost
Das zweite Hauptfeature des Browsers ist die „Boost“-Funktion. Hier kann Musik im Hintergrund abgespielt werden – von einer kurzen 15-Minuten-Session bis hin zur Endlosschleife. Klingt erstmal unspektakulär, doch steckt mehr dahinter: Die Musikstücke sind thematisch gegliedert, etwa in „Focus“, „Relax“ und andere stimmungsbezogene Kategorien. Zusätzlich lassen sich individuelle Einstellungen vornehmen – darunter das Ambiente, die Binauralität und natürlich die Lautstärke. Jedes Musikstück zeigt an, ob es Alpha-, Gamma- oder Theta-Wellen nutzt und welche Frequenz es hat. Das mag auf den ersten Blick kompliziert klingen, ist aber leicht erklärt: In der Neurowissenschaft und in bestimmten Musiktechniken, etwa binauralen Beats, werden verschiedene Frequenzbereiche gezielt eingesetzt, um bestimmte Bewusstseinszustände zu fördern: Alpha-Wellen (ca. 8–12 Hz): Diese Frequenzen stehen für einen entspannten, aber wachen Zustand. Sie fördern Ruhe, Konzentration und helfen, Stress abzubauen. Theta-Wellen (ca. 4–8 Hz): Sie werden mit tiefen Entspannungs- und meditativen Zuständen assoziiert. Zudem können sie Kreativität, Intuition und Erinnerungsprozesse unterstützen – ideal für Momente leichter Schläfrigkeit oder die Übergangsphase zwischen Wachsein und Schlaf. Gamma-Wellen (ab ca. 30 Hz, oft um die 40 Hz): Die schnellsten Hirnwellen sind mit intensiver mentaler Aktivität, hoher Konzentration und schneller Informationsverarbeitung verbunden. Sie werden auch mit kognitiven Spitzenleistungen oder sogar spirituellen Erfahrungen in Zusammenhang gebracht.
Die Boost-Funktion mit verschiedenen Modi und Stimmungen (6_boost.png) Die Idee dahinter: Musik mit bestimmten Frequenzen soll das Gehirn in den passenden Zustand versetzen. Ein Theta-basiertes Stück könnte also tiefe Entspannung oder Meditation fördern, während ein gamma-lastiger Track die geistige Wachheit steigert. Oder noch einfacher gesagt: Man wählt einfach das Musikstück, das sich für die jeweilige Situation am besten anfühlt. Kopfhörer sind für die Boost-Funktion eigentlich Pflicht – zumindest, wenn man den vollen Effekt erleben will. Zwar funktioniert das Ganze auch mit Lautsprechern, aber spürbar wurde der Unterschied für mich erst mit In-Ear-Kopfhörern. Nach ein wenig Herumprobieren mit den Einstellungen konnte ich mich merklich besser auf meine Aufgaben konzentrieren. Besonders kurze Sessions von 15 bis 30 Minuten haben sich für mich als ideal erwiesen. Falls Opera Air nicht mehr die aktive Anwendung ist, wird eine laufende Take a Break-Session automatisch pausiert – eine praktische Funktion, besonders wenn mal wieder ein unerwarteter Teams-Anruf dazwischen kommt.
Fazit
Als ich das erste Mal von Opera Air hörte, fragte ich mich: Braucht die Welt wirklich so einen Browser? Wir haben bereits zahlreiche Alternativen wie Arc, und die Kombination aus Mindfulness und Browser klang zunächst wie eine Idee, die mit Ducktape zusammengeklebt wurde – ein Nischenprodukt für wenige Enthusiasten.
Doch je mehr ich mich mit Opera Air beschäftigte und ihn im Alltag nutzte, desto mehr wusste ich ihn zu schätzen. Anstatt mich zum vierten Doomscroll des Tages auf Instagram zu verlieren, entschied ich mich bewusst für eine kurze Atem- oder Nackenübung. In einer Zeit, in der wir immer mehr Lebenszeit vor dem Bildschirm verbringen, ist das definitiv eine Verbesserung.
Wird jetzt jeder zum Mindfulness-Junkie? Wohl kaum. Aber Opera Air zeigt, dass spezialisierte Browser eine Daseinsberechtigung haben. Ob sich dieses Konzept langfristig gegen die etablierte Konkurrenz behaupten kann, wird die Zeit zeigen.