Jetzt wird’s ernst
Auch Personen in C-Level-Positionen müssen Gehaltsverhandlungen führen, sei es mit dem Unternehmensbesitzer oder dem Vorstand. Unabhängig von der eigenen Position sind Gehaltsverhandlungen stets ein zentraler Bestandteil des Berufslebens. Ihre Bedeutung ist so groß, dass sich in der Wertschöpfungskette spezielle Coaches für Gehaltsverhandlungen etabliert haben.
Wie bei fast allen Aspekten des Selbstmanagements spielen auch Gehaltsverhandlungen eine wesentliche Rolle in der Kommunikation. Gehen wir einen Schritt zurückgehen. Bevor wir in eine Gehaltsverhandlung treten, sollten wir uns bewusst machen, wie viel ein Arbeitsplatz tatsächlich wert ist. Dies ist besonders wichtig, wenn es um einen Job geht. Ist das Unternehmen lediglich darauf ausgerichtet, meine extrinsische Motivation zu befriedigen, oder gibt es auch eine intrinsische Motivation?
In meinem Fall stellt das Produkt immer eine starke intrinsische Motivation dar. Handelt es sich um ein Produkt, das ich selbst verwenden würde? Bin ich stolz darauf, dieses Produkt mitzuentwickeln? Möchte ich einem Unternehmen helfen, einen erfolgreichen Börsengang (IPO) zu erreichen? Solche Werte kann ich für mich selbst mit einem fünfstelligen Betrag beschreiben.
Was ich damit sagen möchte: Stellen wir uns sich vor, wir müssen sich entscheiden, ob wir eine VP-Position in einem KMU übernehmen, das ein eher langweiliges Mittelklasseprodukt anbietet, bei einem Jahresgehalt von 250.000 Euro. Auf der anderen Seite steht ein Startup, das dabei ist, den Markt zu erobern, dessen Produkt jedoch extrem nutzerfreundlich ist und das Leben erleichtert, jedoch nur ein Jahresgehalt von 200.000 Euro bietet. In diesem Fall würde ich das Startup höher bewerten als das KMU. Natürlich gibt es noch viele andere Faktoren, die je nach Person unterschiedlich gewichtet werden können, wie beispielsweise ein Firmenauto, flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Diese Aspekte können erheblichen Einfluss auf die Gesamtbewertung eines Arbeitsplatzes haben und sollten in jede Gehaltsverhandlung einfließen. Nachdem wir für uns geklärt haben, wie viel verschiedene Aspekte eines Arbeitsplatzes wert sind, können wir in die Verhandlung eintreten.
Die Kunst der Verhandlung
Wenn wir uns nun in einem Meetingraum befinden und unserem Verhandlungspartner in die Augen sehen, sollten wir uns an die wichtigen Tipps für Körpersprache erinnern: aufrecht sitzen, Augenkontakt halten und aktiv zuhören. Der nächste Schritt besteht darin, klarzumachen, dass wir unser Wunschgehalt verdient haben.
Dabei kann es hilfreich sein, frühzeitig einen Anker zu setzen.
Ein Anker in der Gehaltsverhandlung ist eine Strategie, bei der wir zu Beginn der Verhandlung einen bestimmten Gehaltsvorschlag oder -bereich nennen, um den Verhandlungsspielraum festzulegen. Indem wir einen hohen, aber realistischen Betrag als Ausgangspunkt setzen, schaffen wir einen Anker, der die weitere Diskussion beeinflusst. Dieser Anker dient als Referenzpunkt, an dem sich alle nachfolgenden Angebote orientieren. Studien zeigen, dass der erste genannte Betrag oft den Verhandlungsrahmen bestimmt und somit die Höhe des Endgehalts maßgeblich beeinflussen kann. Wichtig ist, dass der Anker gut durchdacht und begründet ist, um seine Glaubwürdigkeit zu wahren und nicht als unrealistisch abgelehnt zu werden. Es versteht sich von selbst, dass ein Betrag wie 10 Millionen Euro kein sinnvoller Anker ist, sondern vielmehr eine red Flag, die uns umgehend nach Hause schicken würde.
Nachdem wir einen Anker gesetzt haben, sollten wir überlegen, wie wir unsere Argumente präsentieren. Ein häufiger Fehler, den ich oft beobachtet habe, ist, dass Personen ihre bisherigen Leistungen und Erfahrungen aus der Vergangenheit anführen. Obwohl das logisch erscheinen mag, ist dies für den Verhandlungspartner kein überzeugendes Kriterium für eine höhere Bezahlung. Der Grund dafür ist einfach: Wir wurden bereits in der Vergangenheit für diese Leistungen bezahlt.
Statt auf vergangene Leistungen zu fokussieren, sollten wir darlegen, welchen Wert wir künftig für das Unternehmen schaffen können. Dies kann sich in verschiedenen Aspekten zeigen, von der Steigerung der Qualität über die Verbesserung von Prozessen bis hin zur Erschließung neuer Geschäftsmöglichkeiten. Indem wir auf die zukünftigen Beiträge eingehen, können wir unsere Verhandlungsposition stärken und verdeutlichen, warum wir das gewünschte Gehalt verdienen.
Beim Verhandeln können wir uns des Priming-Effekts bedienen, indem wir unsere Argumente so formulieren, dass wir auf objektiven Daten und unserem eigenen Beitrag basieren, statt Vergleiche oder emotionale Gründe zu verwenden. Hier einige Beispiele für optimierte Formulierungen:
- Statt: „Ich möchte mehr Geld, weil meine Kollegen mehr verdienen.“
Verbesserte Möglichkeit: „Basierend auf den Ergebnissen, die ich erzielt habe, und den Marktanalysen, die eine bestimmte Gehaltsspanne für meine Rolle zeigen, halte ich eine Anpassung meines Gehalts für gerechtfertigt.“
Priming-Effekt: Der verbesserte Satz verwendet objektive Daten und den eigenen Beitrag, um die Gehaltsanpassung zu rechtfertigen, statt sich auf Vergleiche mit anderen zu konzentrieren.
- Statt: „Ich hätte gerne eine Gehaltserhöhung, weil mein aktuelles Gehalt nicht ausreicht.“
Verbesserter Satz mit Priming: „Angesichts meiner kontinuierlichen Beiträge und der Ergebnisse, die ich erzielt habe, würde ich gerne über eine Anpassung meines Gehalts sprechen, um es mit den branchenüblichen Standards in Einklang zu bringen.“
Priming-Effekt: Der verbesserte Satz lenkt den Fokus auf die positiven Beiträge und stellt die Gehaltsanpassung als eine logische Konsequenz der bisherigen Leistungen dar.
- Statt: „Ich bin unzufrieden mit meinem Gehalt und hoffe, dass wir eine Lösung finden können.“
Verbesserter Satz mit Priming: „Ich bin sehr motiviert durch die Herausforderungen und Erfolge, die ich in meiner Rolle erzielt habe, und ich glaube, dass wir gemeinsam eine faire Lösung finden können, die meine Leistungen und die aktuellen Marktbedingungen widerspiegelt.“
Priming-Effekt: Der verbesserte Satz betont die Motivation und die bisherigen Erfolge, was den Verhandlungsprozess positiver und zielorientierter erscheinen lässt.
Wenn wir keine Einigung erreichen, gibt es immer noch die Möglichkeit, auf die Zukunft auszuweichen. Eine konstruktive Herangehensweise könnte sein:
„Was kann ich in den nächsten sechs Monaten tun, um eine Gehaltsanpassung zu erhalten?“
Um in eine Gehaltsverhandlung gut vorbereitet zu gehen, empfiehlt es sich, einen detaillierten Plan zu erstellen und die wichtigsten Punkte in Ruhe zu Hause auf Papier zu bringen. Dennoch sollten wir immer im Hinterkopf behalten:
Everyone has a plan until they get punched in the face
- Mike Tyson
Wer in der nächsten Gehaltsverhandlung besser dastehen möchte, sollte ein gutes Netzwerk und Beziehungsmanagement haben.